Eigentlich hätte das zweitägige Neonazi-Festival »Rock gegen Überfremdung III« schon Ende Juli im thüringischen Mattstedt stattfinden sollen, es wurde dort aber gerichtlich untersagt. Nun wollten die Veranstalter das als politische Kundgebung angemeldete Event in Magdala durchführen, scheiterten aber auch dort kurz vor Veranstaltungsbeginn an einem gerichtlichen Verbot, den Zufahrtsweg zum Gelände zu benutzen. Die letztendlich auf dem Marktplatz von Apolda abgehaltene Ersatzveranstaltung geriet dann vollends zum Debakel.
Am Freitag Abend fanden sich rund 750 Neonazis auf dem Marktplatz ein, deutlich weniger als die veranschlagten 3.000 Teilnehmer. Es gab weder eine Bühne noch Verkaufsstände. Drei Bands spielten, politische Reden fielen weitgehend aus. Die Veranstalter mussten das Publikum mehrmal darauf hinweisen, »die Arme unten zu lassen«, sprich keine Hitlergrüße zu zeigen, oder andere Straftaten zu begehen. Um 22 Uhr war die bis 23:30 Uhr angemeldete »Kundgebung« wieder vorbei.
Am nächsten Tag, dem Samstag, hieß es zunächst, das Konzert solle in der sogenannten „Erlebnisscheune“ in Kirchheim, einem einschlägigen Treffpunkt, fortgesetzt werden. Anmelder Steffen Richter, der dem Führungskreis der rechtsextremen Kameradschaft »Turonen« angehört und ein Vertrauter des NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben ist, sein Orgateam sowie einige Teilnehmer_innen waren auch dort vor Ort. Gegen Mittag wurde jedoch gemeldet, dass das Konzert auch in Kirchheim von den Behörden untersagt wurde, weil die Anmeldung zu spät erfolgt sei. Der Marktplatz von Apolda sollte wieder genutzt werden. Dort fand aber ein Bürgerfest als Gegenkundgebung statt, das von ca. 800 Personen besucht wurde, darunter der thüringische Innenminister Georg Maier und Ministerpräsident Bodo Ramelow.
Nach längeren Diskussionen einigten sich die Behörden und der Anmelder darauf, dass die Nazi-Kundgebung ab 19 Uhr im unteren Teil des Marktplatzes stattfinden solle. Ein kleiner Bereich wurde dafür abgegittert, es konnten weder eine Bühne noch Verpflegungs- oder Merchandisingstände aufgebaut werden. Nur eine kleine Soundanlage wurde herangefahren. Als Orgateam und Ordner fungierten wieder Mitglieder der Turonen bzw. deren Unterstützertruppe »Garde 20« und der Kameradschaft Barnimer Freundschaft – darunter NPD-Politiker Marcel Zech, der 2017 wegen eines Auschwitz-Tattoos zu acht Monaten Haft verurteilt wurde, und Toni B., auch bekannt als »R.a.W.« und Mitglied des Rap-Duos »A3stus«. Als Versammlungsleiter trat Sebastian Schmidtke, ein NPD-Kader aus Berlin, auf.
Unterdessen trafen immer mehr Neonazis in Apolda ein. Sie stauten sich vor dem Marktplatz und wurden immer ungeduldiger (viele auch betrunkener), denn vor Betreten des abgegitterten Kundgebungsbereichs wurde jede Person durchsucht – eine Prozedur, die entsprechend lange dauerte. Als die erste Band (»Übermensch«) zu spielen begann, war noch nicht mal die Hälfte der wartenden Personen auf dem Marktplatz. Kurz nach 19 Uhr eskalierte dann die Situation. Die wartenden Neonazis versuchten in den abgegitterten Bereich durchzubrechen. Polizisten wurden mit Flaschen beworfen, acht Beamte nach Polizeiangaben dabei verletzt. Die Beamten setzten Pfefferspray ein, um die Nazis zurückzudrängen, was schließlich auch gelang. Die Versammlung wurde unterbrochen und schließlich vom Polizei-Einsatzleiter abgebrochen. Versammlungsleiter Sebastian Schmidtke verkündete das Ende der Kundgebung mit der Drohung: „Irgendwann werdet ihr euch wünschen, wir hätten nur Musik gemacht“.
Wenn es die Absicht der Behörden war, den Nazis die »Gelddruckmaschine zu stoppen«, wie es Innenminister Georg Maier im Interview formulierte, so kann man annehmen, dass dies gelungen ist. Richtig Geld verdient hätten die Veranstalter nur auf den großen Grundstücken in Mattstedt oder Magdala. Dort hätten sie Merchandising-Artikel, Essen und Getränke verkaufen können. In Apolda war die Veranstaltung auf das reduziert, als was sie angemeldet wurde – keine Rechtsrockfestival mehr, sondern eine mäßig besuchte Kundgebung. Auch als Vernetzungstreffen der rechten Szene funktionierte das Rechtsrock-Spektakel nur noch eingeschränkt. Warum der Veranstalter schon im Vorfeld den Marktplatz in Apolda als Alternative zu Magdala angemeldet hatte, bleibt sein Geheimnis. Vielleicht hat er darauf spekuliert, dass den Behörden ein Rechtsrockkonzert auf freiem Feld lieber wäre als eines in der Stadt. Die Nazis, die im Vorverkauf Eintrittskarten für 35 Euro erworben hatten, dürften jedenfalls sauer sein, dass sie außer Kosten für Eintritt und Anreise nichts davon hatten.
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