Die Ferienkolonien »Colonia Varese« und »Colonia Montecatini« (Monopoli di Stato) in Cervia

Während des Faschismus wurden in Italien rund 4.000 staatliche Ferienkolonien gebaut, in denen Kinder aus sozial schwachen Familien während der Ferien zum Zweck der gesundheitlichen Fürsorge und der politischen Indoktrination untergebracht wurden. Dazu kamen rund 50 Ferienkolonien, die von italienischen Konzernen eingerichtet wurden, die damit nicht nur soziale Verantwortung beweisen wollten, sondern auch ihre Bedeutung für die italienische Industrie.

Die staatlichen Ferienkolonien wurden von der faschistischen Partei oder einer ihrer Unterorganisationen betrieben, die nicht-staatlichen waren zwar unabhängig, wurden aber auch von der Partei kontrolliert.

In Cervia an der italienischen Adria liegen zwei Ferienkolonien im Stadtteil Milano Marittima direkt nebeneinander am Strand. Die »Colonia Varese« wurde 1937 von der »Federazione dei Fasci della provincia di Varese« erbaut, sie war also eine Einrichtung der faschistischen Partei. Die »Colonia Montecatini« wurde vom Chemiekonzern »Montecatini« (der 1966 von der Montedison übernommen wurde) errichtet. Nach dem Krieg wurde sie verstaatlicht und in »Centro Vacanze Monopoli di Stato« umbenannt

Colonia Varese

Die »Colonia Varese« wurde 1937 vom Architekten Mario Loreti geplant und 1939 fertiggestellt. Der Baustil ist faschistisch monumental. Bis zu 800 Kinder konnten dort gleichzeitig untergebracht werden. Sie verbrachten dort drei bis vier Wochen. In den dreimonatigen Sommerferien besuchten also bis zu 2400 Kinder diese Einrichtung. Nach meinen Informationen war die »Colonia Varese« noch bis 1983 in Betrieb, dann wurde sie aufgegeben und dem Verfall überlassen. Als ich sie im September 2015 besucht habe, wurde sie von Obdachlosen und Geflüchteten als Unterkunft genutzt.

Colonia Montecatini

Architekt der »Colonia Montecatini« war Eugenio Faludi. 1938 wurde der Bau, der in einem modernen aber auch monumentalen Stil entworfen worden war, eröffnet. Auffällig war ein 50 Meter hoher Rampenturm vor dem Gebäude, der weithin sichtbar war. Dieser Turm wurde im Krieg zerstört und nur noch bis zur tatsächlich als Treppenaufgang genutzten Höhe wieder aufgebaut. 480 Kinder konnten in dieser Kolonie beherbergt werden, pro Sommer also 1440. Nach dem Krieg wurde die »Colonia Montecatini« verstaatlicht und in »Centro Vacanze Monopoli di Stato« umbenannt. Seit 1998 wird sie nicht mehr genutzt und verfällt zusehends.

Quellen

http://www.cerviaemilanomarittima.org/2014/12/22/colonia-varese/

http://www.cerviaemilanomarittima.org/2014/12/22/colonia-montecatini/

Die sehr interessante Dissertation von Katharina Torkler »Ferienkolonien von Industrieunternehmen zur Zeit des Faschismus in Italien« enthält zahlreiche historische Fotos und viele Informationen über die »Colonia Montecatini«. Sie ist online verfügbar unter: http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/diss/2003/fu-berlin/2002/54/